Ein Konzertgast würdigt die „Italienische Nacht“ am 13. Juni 2015
Nobelster Streicherklang erfüllte am vergangenen Samstagabend die barocke Kapelle im Schloss Oranienstein. Zu Gast bei einer „italienischen Nacht“ der Oraniensteiner Konzerte war das renommierte Barockensemble „Concerto Melante“ (Italo-Fassung der Buchstaben des Namens Telemann), das sich aus Mitgliedern der Berliner Philharmoniker und Ensembles der Alten Musik rekrutiert. Musiziert wird in tiefer Stimmung und auf historischen Instrumenten – und, der höfischen Musizierweise entsprechend, ohne Dirigent. In dem relativ großen Klangkörper (5 Violinen, 1 Viola, 1 Violoncello, 1 Violone, dazu üppig besetztes Continuo mit Cembalo und Theorbe), herrscht „rollierende Spitze“: die hohen Streicher wechseln ständig die Rollen!
Mit drei- oder viersätzigen Streicher-Concerti von A. Vivaldi, G. Torelli, D. Gallo und zwei Anonymus-Werken breiteten die „Melantes“ die gesamte Palette der italienischen Konzertmusik des frühen 18. Jhd. aus, die – angeregt v. a. auch durch Vivaldi – die Virtuosität des solistischen Violinspiels auf das Ensemble übertrug. Weil die alten Instrumente dank der Darmsaiten und der anderen Bogenführung auch in den Bässen zu unglaublicher Tempogebung fähig sind, ließ die Berliner Startruppe keine Gelegenheit aus, in dem akustisch tragenden Raum rasante Schnelligkeit in höchster Präzision zu entwickeln; andererseits (bei langsamen Sätzen) ist dem Klangkörper im Pianobereich eine Fülle von Klangfarben möglich, die das „Alte“ – historisch gespielt – eben so völlig neu macht. Hinzu kommen die durchpulste Rhythmik und das Explodieren der Töne beim Anreißen der Saiten, das schon beim allerersten Vivaldi-Akkord die Hörer vom Sitz hebt.
Einer möglichen Hörermüdung dem Streicherklang gegenüber begegnete das Programm klug durch unterschiedliche Besetzungen: Tutti-Solo-Spaltung, Concertinogruppe mit 4 Geigen gegen das tiefe Tutti, Fünfstimmigkeit als Kontrast zur Zweistimmigkeit etc. – So blieb der Abend spannend und elektrisierend, nicht zuletzt durch die „Weltpremiere“ zweier Streichersonaten von Domenica Gallo und dessen konzertanter Bearbeitung der berühmten „Follia“- Melodie. Bei den Varianten dieser Sarabande steigerten sich alle Künstler der Gruppe nochmals in Kompetenz und Motivation; ausnahmsweise genannt sei die Cellistin Kristin von der Goltz, die dabei sich und ihrem Barockcello Unerhörtes an filigraner Virtuosität abverlangte. Vom Generalbass her und im Blickkontakt mit dem jeweiligen Konzertmeister bot sie das anfeuernde Fundament, das Barockmusik aufleuchten lässt. – Zugabe und frenetischer Beifall des „vollen Hauses“, glückliche Gesichter beim Heimweg durch die sommerliche Nacht im Park.
Klaus-Dieter Stolper,
Höchstadt a. d. Aisch
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